Zahlungsverkehr, Schnell, einfach, sicher – sind Echtzeitzahlungen die Lösung des Trilemmas?
Vor der diesjährigen SIBOS-Konferenz teilte Simone Löfgen, Global Head of Payment Platforms bei der Commerzbank, ihren Ausblick auf grenzüberschreitende Echtzeitzahlungen, digitale Währungen und die Rolle der künstlichen Intelligenz mit uns.
Die alten Zahlungssysteme, die heute noch von vielen Banken genutzt werden, beruhen auf dem traditionellen Ansatz einer physischen Bank, die aus einem Netzwerk von Niederlassungen mit Öffnungszeiten und Buchungsschnittzeiten besteht. Doch diese Struktur entspricht einfach nicht mehr der heutigen Zahlungsverkehrslandschaft, in der von Banken erwartet wird, dass sie hochmoderne Plattformen bereitstellen, um rund um die Uhr und 365 Tage im Jahr Zahlungen zu verarbeiten.
Der Wunsch nach schnellen, bequemen Lösungen ist an sich nichts Neues. Kunden – und das schließt Unternehmen wie Privatpersonen ein – bevorzugen seit jeher schnelle, einfache und sichere Zahlungsmöglichkeiten. Kreditkarten sind nicht zuletzt deshalb so beliebt geworden, weil man mit ihnen sowohl online als auch vor Ort sofort zahlen kann. Wenn es Finanzinstituten heute gelingt, den Fokus mit Echtzeitzahlungen wieder auf das Bankkonto zu rücken, können sie einen echten Business Value bieten.
Günstige regulatorische Entwicklungen treiben den grenzüberschreitenden Echtzeitzahlungsverkehr in Europa voran
Im Bereich der Echtzeittransaktionen sind inländische Sofortzahlungen heutzutage für die meisten nichts Besonderes mehr. Anders bzw. viel schwieriger sieht es hingegen bei grenzüberschreitenden Echtzeitzahlungen aus. Dennoch bemühen sich Aufsichtsbehörden um die Umsetzung und arbeiten damit im Einklang mit dem G20-Fahrplan, der reibungslose und leichter zugängliche grenzüberschreitende Zahlungen anvisiert. Gemäß der im April in Kraft getretenen Instant-Payments-Verordnung der Europäischen Union müssen alle Banken im EU-Binnenmarkt Echtzeitzahlungen anbieten – und zwar zum selben Preis wie reguläre SEPA-Überweisungen. Bis spätestens Januar 2025 sind Banken verpflichtet, sowohl inländische als auch grenzüberschreitende SEPA-Echtzeitzahlungen zu empfangen, ab Oktober desselben Jahres müssen sie sie auch senden können.
Echtzeitzahlungen werden also nach und nach einfacher zu handhaben. Dabei werden sie nicht nur im SEPA-Raum ermöglicht; neue europäische Initiativen schaffen auch Chancen für Echtzeittransaktionen über den Euroraum hinaus.
Basierend auf bestehenden Zahlungssystemen ermöglicht das „One-Leg-Out“-Echtzeit-Überweisungsverfahren (OCT Inst) des europäischen Zahlungsverkehrsausschusses (EPC) Finanzinstituten im Euroraum, Echtzeitzahlungen an teilnehmende Banken außerhalb des SEPA-Raums zu senden bzw. von solchen zu empfangen – solange ein Teil der Transaktion in Euro denominiert ist.
Angesichts dieser Entwicklungen ist davon auszugehen, dass solche Zahlungen in den kommenden fünf Jahren rund 50 % des europäischen Transaktionsvolumens ausmachen werden. Derzeit beträgt der Anteil nur 13 %1.
Innovationen zur Betrugsprävention
Der flächendeckenden Einführung stehen ohne Frage noch einige Hindernisse im Weg. Umfangreiche IT-Transformationen sind teuer und zeitaufwändig. Zudem sind Echtzeittransaktionen nicht perfekt. Es liegt in der Natur der Sache, dass die Endgültigkeit der Zahlung sie betrugsanfälliger macht. Erste Auswertungen aus Europa zeigen, dass Betrugsfälle bei Echtzeitzahlungen in der Regel sechs bis sieben Mal höher sind als bei klassischen Überweisungen. Echtzeitzahlungen sind schnell und zunehmend einfacher zu handhaben – aber sind sie auch sicher genug?
Die zunehmende Relevanz von künstlicher Intelligenz (KI) im Finanzsektor sorgt für zusätzliche Komplexität. Wie so häufig gilt es, zwei Seiten einer Medaille zu betrachten: Auf der einen Seite erleichtert die KI Betrügern die Arbeit – durch Deep Fakes, Video- und Audio-Simulationen. Auf der anderen Seite kann KI jedoch auch eingesetzt werden, um Cyberkriminalität zu unterbinden. So nehmen Banken hohe Investitionen in Kauf, um der Entwicklung stets einen Schritt voraus zu sein. Mittels maschinellen Lernens werden neue Betrugserkennungsmodelle (z. B. zur Erkennung von Betrugsmustern und Anomalien) entwickelt.
Die meisten Finanzmarktteilnehmer sind sich einig, dass Betrugsprävention nicht als Wettbewerbsvorteil eingesetzt werden sollte, sodass die Branche zunehmend an einem Strang zieht. So hat die EBA Clearing in Zusammenarbeit mit der Commerzbank und anderen Banken ein System entwickelt, das branchenübergreifende Daten nutzt, um die Systeme auf Betrugspräventionsmodelle zu trainieren und somit zielgerichteter und effektiver zu machen.
Das ist bei Weitem nicht der einzige mögliche Anwendungsfall für KI im Zahlungsverkehr, und Banken setzen bereits heute die verschiedensten Technologien für eine optimierte Analyse von Zahlungsdaten ein. Ein Beispiel sind genauere Cashflow-Prognosen und Trendanalysen, deren Erkenntnisse letztendlich Firmenkunden zugutekommen.
Digitale Währungen: Eine Lösung auf der Suche nach einem Problem?
Es gibt noch weitere mögliche Lösungen für das Trilemma im Zahlungsverkehr. So hat die Branche in den vergangenen Jahren die Möglichkeiten der Distributed-Ledger-Technologie (DLT) ausgelotet, und Zentral- wie Geschäftsbanken überall auf der Welt haben einen oft anspruchsvollen Prozess durchlaufen, in dem die Vor- und Nachteile einer eigenen digitalen Währung – beispielsweise über digitales Zentralbankgeld (CBDCs) oder Stablecoins – evaluiert wurden. Doch trotz vielversprechender Anwendungsfälle insbesondere im Bereich der Handelsfinanzierung wird zunehmend klar, dass Digitalwährungen nach wie vor unter Beweis stellen müssen, dass sie so kosteneffizient sein können wie bereits bestehende Zahlungssysteme.
Nehmen wir das Beispiel einer Lösung für Lieferkettenfinanzierungen, bei der Vermögenswerte digital auf einer Blockchain abgebildet werden: Muss in der Blockchain Geld für den Austausch dieser Vermögenswerte vorhanden sein? Oder kann die Kette aus Vermögenswerten einfach eine Zahlung auslösen, die über andere Methoden ausgeführt wird? Wird es sich beim Geld um einen von Geschäftsbanken entwickelten Stablecoin handeln oder werden Zentralbanken die Nase vorn haben?
Digitale Währungen sind schnell und möglicherweise auch sehr sicher – aber eines sind sie momentan nicht: einfach. Sie werden zweifelsohne Mehrwert für bestimmte Anwendungsfälle generieren, doch die Dynamik, die sich um diese Technologie als Zahlungsmittel aufgebaut hatte, scheint sich zu beruhigen. Sowohl Banken als auch Unternehmen haben knappe IT-Budgets, sodass Business-Case-Analysen eindeutige Ergebnisse liefern müssen, wenn es um Investitionen in innovative Projekte dieser Größenordnung geht.
(Mehr-)Wert für Banken und Unternehmen
Dennoch sind die Vorteile von Echtzeitzahlungen glasklar. Auf Unternehmensseite werden Treasury-Abteilungen von Liquiditätsoptimierung in Echtzeit und dem Zugriff auf untertägiges Reporting profitieren. Zudem müssten Gehälter nicht Tage im Voraus überwiesen werden, um sicherzugehen, dass sie rechtzeitig ankommen, sondern könnten unmittelbar am Zahltag gezahlt werden. Mit einer Kombination aus programmierbaren Schnittstellen (APIs) und Echtzeitzahlungen könnten alle Transaktionsparteien die erforderlichen Informationen erhalten, ohne die Buchhaltung kontaktieren zu müssen.
Auf Seiten der Finanzinstitute setzen Banken zunehmend Echtzeitzahlungen als Bausteine für fortschrittlichere Tech-Lösungen ein. Die Commerzbank z. B. hat mit T-Systems – einer Tochtergesellschaft der Deutschen Telekom – eine automatisierte Finanzlösung (Internet-Based Automated Finance, IBAF) entwickelt, die u. a. auf das Internet der Dinge (IoT) setzt, um Anwendungen oder Fahrzeugen eine automatische Auslösung von Zahlungen zu ermöglichen. Diese Lösung könnte genutzt werden, wenn zB Ware geliefert wird oder während ein Elektrofahrzeug lädt.
Im Endeffekt werden Innovationen im Zahlungsverkehr weiterhin auf die Anforderungen der Nutzerinnen und Nutzer ausgerichtet sein – und Zahlungen schneller, einfacher und sicherer machen. Eine flächendeckende Anwendung grenzüberschreitender Echtzeitzahlungen könnte das Trilemma lösen, Bankkonten zurück in den Fokus rücken und Finanzinstitute auf die Chancen einer sich schnell wandelnden Welt vorbereiten.