Zahlungsverkehr, Wie Regulierung Innovation im Zahlungsverkehr vorantreibt – und was das für Unternehmen bedeutet
Unternehmen müssen Zahlungen schnell, sicher und kosteneffizient abwickeln. Dabei wirken sich mehrere Regulierungsinitiativen unterstützend aus.
Simone Löfgen, Global Head of Payment Platforms, und Jens Schumacher, Global Head of Trade Finance & Cash Management Sales Germany, sprechen über aktuelle Veränderungen im Zahlungsverkehr: neue Standards, neue Regulierungen und technologische Innovationen. Wie reagieren Banken und Kunden?
Kaum ein anderer Finanzsektor verändert sich so schnell wie der Zahlungsverkehr, wobei die Veränderungen auf verschiedene Faktoren zurückzuführen sind. Sind Branchenstandards und Regulierung ein Hemmschuh oder ein Innovationstreiber?
Jens Schumacher: In manchen Sektoren wird möglicherweise davon ausgegangen, dass Regulierung der Innovation im Weg steht. Im Zahlungsverkehr ist das jedoch keineswegs der Fall, denn in der Regel verstärken sich diese beiden Kräfte eher, als dass sie in entgegengesetzte Richtungen wirken: Regulierung setzt Leitplanken und schafft gemeinsame Standards, die die Skalierung von Innovationen ermöglichen. Innovation hingegen stellt sicher, dass die Regulierung bessere, schnellere und sicherere Dienste für den Endnutzer schafft.
Simone Löfgen: Im globalen Zahlungsverkehr lässt sich das derzeit gut beobachten. Man denke an den G20-Fahrplan für ein stärkeres grenzüberschreitendes Zahlungssystem. Die G20-Staaten haben sich ambitionierte Ziele gesetzt, um das grenzüberschreitende Zahlungssystem bis 2027 zu stärken. Damit tragen sie der steigenden Nachfrage nach schnellen, kosteneffizienten, transparenten und leicht zugänglichen Zahlungen Rechnung. Diese politischen Ziele geben für mehrere Initiativen im gesamten Ökosystem den Rahmen vor, auch für die laufende Umstellung auf ISO 20022. Sie ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Erreichung der G20-Ziele. Auch wenn der Fahrplan der G20 nicht verpflichtend ist, gibt er der Branche Orientierung, ermutigt die Marktteilnehmer zur Anpassung und unterstützt Innovation über Ländergrenzen hinweg.
In Europa spielt die Regulierung eine unmittelbarere Rolle. Neue Regelungen werden üblicherweise mit Blick auf die Kundenbedürfnisse gestaltet. Das jüngste Beispiel dafür ist die Instant-Payments-Verordnung der EU, die ab Oktober 2025 dabei helfen wird, Echtzeitzahlungen von einem Nischenprodukt zum europäischen Standard zu machen.
Auch die Technologie beschleunigt den Wandel. Hier spielt die Regulierung ebenfalls eine zentrale Rolle: Sie gibt den Rahmen vor und bestimmt damit, wie weitreichend und schnell technologische Innovationen skaliert werden können. Dadurch beeinflusst sie die Technologieadoption wesentlich mit.
Zusammen gestalten diese Kräfte den Zahlungsverkehr auf jeder Ebene neu – von den globalen Standards und der EU-Regulatorik bis hin zu den neuen Technologien, die sich am Horizont abzeichnen.
Der globale Zahlungsverkehrsmarkt ist in den letzten Jahren vom alten MT-Format auf ISO 20022 umgestiegen, um hochvolumige, grenzüberschreitende Zahlungen zu ermöglichen. Die Koexistenzphase neigt sich jetzt dem Ende zu. Wie blicken Sie auf den Weg, der vor uns liegt?
Löfgen: Im Juli dieses Jahres hat mit dem Fedwire Funds Service das letzte nationale System für Großbetragszahlungen die Migration auf ISO 20022 abgeschlossen. Der nächste große Meilenstein für den neuen Standard kommt im November, wenn die zweijährige Übergangsphase von Swift endet und damit der Zeitraum endet, in dem alte MT- und ISO-20022-Nachrichtenformate parallel für grenzüberschreitende Zahlungen genutzt werden konnten.
Bevor es so weit ist, gilt es noch einige Herausforderungen zu bewältigen. Im September hat Swift berichtet, dass 54 Prozent des Zahlungsauftragsverkehrs auf ISO 20022 umgestellt wurden – weit weniger als die bis November erwartete flächendeckende Einführung.1 Zu den Gründen für die schleppende Umstellung gehören auch der hohe Kapitalbedarf und die enorme technische Komplexität der Migration. Größere Banken mit mehr Ressourcen haben im Allgemeinen eine höhere Umstellungsrate erreicht, aber damit das gesamte grenzüberschreitende Ökosystem in den kommenden Wochen nachziehen kann, muss noch einiges getan werden.
Schumacher: Auch bei Unternehmen schreitet die Migration voran, wenn auch langsamer. Treasury-Abteilungen erkennen die Vorteile von ISO 20022, kämpfen aber mit praktischen Problemen wie knappen Budgets, Upgrades von ERP-Systemen und konkurrierenden Prioritäten. Angesichts der unsicheren geopolitischen Lage und der Probleme in den Lieferketten ist verständlich, dass die Aufmerksamkeit auf andere Themen gerichtet ist.
Ab November 2026 werden unstrukturierte Postadressen für grenzüberschreitende Zahlungen nicht mehr unterstützt. Das heißt, dass Banken entweder ein vollständig strukturiertes oder ein hybrides Adressformat einführen müssen, um die Anforderungen zu erfüllen. Die Herausforderung betrifft aber nicht nur Banken: Auch Firmenkunden müssen die bei ihnen gespeicherten Adressen überprüfen und aktualisieren sowie ihre Systeme anpassen, um umfangreichere Daten verarbeiten zu können.
Löfgen: Über die Migration und die bevorstehenden Meilensteine hinaus wird der Fokus darauf liegen, wie sich die Vorteile der umfangreicheren, besser strukturierten ISO-20022-Daten voll ausschöpfen lassen. Wenn Vorteile wie schnellere Compliance-Checks und erweiterte Informationen für die Rechnungsstellung sowie interne Prozesse sichtbar werden, wird die Anwendung an Fahrt gewinnen und eine positive Spirale in Gang setzen.
Als Nächstes stehen zum Beispiel die Einführung neuer ISO-20022-Nachrichtenformate für die Fehlerbearbeitung und Nachforschungen sowie ein zentrales Koordinierungsmodell an. Die zweijährige schrittweise Einführung soll im November 2025 beginnen. Zusammen werden diese Entwicklungen die automatisierte Bearbeitung von Fehler- und Nachforschungsprozessen erheblich verbessern und dazu beitragen, die damit üblicherweise verbundenen Verzögerungen und Transparenzdefizite zu beseitigen.
Auch die Instant-Payments-Verordnung der Europäischen Union stößt Innovationen in der Branche an. Wie bereiten sich Banken auf die anstehende Einführung der Empfängerüberprüfung vor? Stellen die neuen Regeln Unternehmen vor Herausforderungen?
Löfgen: Historisch betrachtet hat die Regulierung in Europa immer wieder Veränderungen im Zahlungsverkehr vorangetrieben: von der Einführung des einheitlichen Euro-Zahlungsverkehrsraums (SEPA) bis zur Öffnung der Bankdienstleistungen im Rahmen der überarbeiteten Zahlungsdiensterichtlinie (PSD2). Dieser Trend setzt sich mit der seit April 2024 geltenden Instant-Payments-Verordnung fort, die darauf abzielt, die Einführung von Echtzeitzahlungen in Europa zu beschleunigen.2 Der nächste wichtige Schritt kommt am 9. Oktober 2025, wenn Zahlungsdienstleister, die Überweisungen anbieten, auch Echtzeitzahlungen und eine Empfängerüberprüfung (VoP) anbieten müssen. Dabei wird die Kombination aus Empfängernamen und IBAN mit den bei der Empfängerbank hinterlegten Daten abgeglichen.
Schumacher: Die Instant-Payments-Verordnung birgt klare Vorteile: Sie ist ein Innovationstreiber und eröffnet Firmenkunden Chancen, die ihnen sonst möglicherweise verwehrt geblieben wären. Während etwa ein typischer Industriebetrieb aus dem deutschen Mittelstand mit klassischen SEPA-Überweisungen bisher gut zurechtgekommen sein mag, können Unternehmen durch die Einführung von Echtzeitzahlungen als neuem Standard jetzt schneller abrechnen und effizienter arbeiten – und so neue Geschäftsmodelle nutzen, die vorher unerreichbar waren.
Solch große regulatorische Änderungen bringen aber auch Herausforderungen mit sich. Die obligatorische Einführung der Empfängerüberprüfung bietet zum Beispiel einen klaren Mehrwert für Privatkunden, da sie den Schutz vor fehlgeleiteten oder betrügerischen Zahlungen verbessert. Für Unternehmen kann die Empfängerüberprüfung jedoch unerwünschte Komplexität bedeuten und möglicherweise Investitionen und Anpassungen von internen Systemen und Prozessen erfordern. Unser Informationsangebot zur Unterstützung dieses Übergangs ist zum Teil auf großes Interesse gestoßen. Letztendlich sind offene Kommunikation und enge Zusammenarbeit für eine effektive Umsetzung entscheidend.
Der Wandel im Zahlungsverkehr wird jedoch auch noch von anderen Faktoren geprägt. Wie wirken sich technologische Entwicklungen auf die Erwartungen von Unternehmen aus, und wie sorgen Banken dafür, dass ihre Kunden weiterhin ganz vorn mit dabei sind?
Schumacher: Technologische Entwicklungen haben die Geschwindigkeit und Transparenz im gesamten Finanzsektor erhöht, die Erwartungen der Kunden neu definiert und neue Maßstäbe gesetzt, die Banken nun erfüllen müssen.
Löfgen: Die Distributed-Ledger-Technologie ist beispielsweise im Mainstream angekommen und hat dadurch neue Zahlungssysteme geschaffen. Deshalb wird die Zahlungsverkehrslandschaft immer komplizierter, und es sieht so aus, als würde sich die Welt mehr in Richtung eines „multipolaren“ Modells bewegen, in dem auch Optionen wie Stablecoins und potenziell auch digitale Zentralbankwährungen (CBDCs) ihren Platz haben. Stablecoins sind vor allem in den USA beliebt, wo CBDCs nicht auf dem Plan stehen. In Europa hingegen liegt das Hauptaugenmerk weiter auf einem möglichen digitalen Euro – auch wenn schon seit Jahren darüber diskutiert wird, ohne dass ein klares Ergebnis in Sicht wäre.
Letztlich muss sich noch zeigen, welche neuen Zahlungssysteme am Ende Fuß fassen. Digitale Währungen sind uns noch den Beweis schuldig, dass sie so kosteneffizient sein können wie bereits bestehende Zahlungsmethoden. Derweil wird mit Initiativen wie ISO 20022 bereits das Fundament für einen schnelleren, verlässlicheren grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr gelegt. Das wirft die Frage auf, welchen Mehrwert ein komplett neuer Ansatz überhaupt bieten könnte.
Schumacher: Kunden erwarten berechtigterweise, dass Großbanken bereit sind, aufkommende Zahlungsoptionen zu unterstützen. Die Herausforderung besteht darin, dass zusätzliche Zahlungssysteme nicht nur Chancen bieten, sondern auch die Komplexität erhöhen. Finanzinstitute müssen flexibel und offen für Innovationen bleiben und gleichzeitig solide Sicherheitsmaßnahmen beibehalten. Dafür bedarf es anhaltender Investitionen in robuste IT-Infrastrukturen und zuverlässige Plattformstrategien. Wichtig ist, dass der Ansatz technologieunabhängig ist und sich mehrere Ebenen mit minimalen Reibungsverlusten und ohne die Erzeugung von Silos verwalten lassen.
Zahlungen sind der Herzschlag des Bankensystems. Hier ändern sich die Dinge am rasantesten, sei es durch regulatorischen Druck oder durch technologische Innovation. Dabei kommt Banken eine wichtige Rolle zu: Sie helfen Unternehmen, sich anzupassen, indem sie ihnen mit Informationsangeboten, Online-Ressourcen und maßgeschneiderter Beratung zur Seite stehen. Wir werden unsere Kunden weiterhin dabei unterstützen, die Vorteile von Innovationen für sich zu nutzen.
Löfgen: Im Endeffekt werden Innovationen im Zahlungsverkehr weiterhin auf die Anforderungen der Nutzer ausgerichtet sein und Zahlungen schneller, einfacher und sicherer machen. Die Aufgabe der Banken ist es, die Infrastruktur, Plattformen und Beratung bereitzustellen, die es braucht, um diese Vision Realität werden zu lassen.
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