Interview, Wirtschaftsstandort Deutschland – Zeit, was zu bewegen!
Michael Kotzbauer zur neuen Studie der Unternehmerperspektiven
Wie bewertet der deutsche Mittelstand den Wirtschaftsstandort Deutschland? Welche Möglichkeiten haben Unternehmen, auf ihr von zahlreichen Umbrüchen betroffenes Umfeld zu reagieren, ihre Stärke zu bewahren und ihre Zukunft zu sichern? Diesen Fragen ging die 23. Studie der Commerzbank-Initiative Unternehmerperspektiven nach. Ihr Titel: „Wirtschaftsstandort Deutschland – Zeit, was zu bewegen!“. Michael Kotzbauer, Stv. Vorstandsvorsitzender, kommentiert im Interview die wichtigsten Erkenntnisse und Auswirkungen. Die gute Botschaft: Der deutsche Mittelstand lässt sich nicht unterkriegen.
Wann haben Sie die Studie durchgeführt? Spiegeln sich in den Antworten bereits die aktuellen nationalen und weltwirtschaftlichen Entwicklungen?
Kotzbauer: Die Befragungen erfolgten von Mitte November 2024 bis Mitte Februar 2025. Die Ampel war zu diesem Zeitpunkt bereits gescheitert und Donald Trump zum US-Präsidenten gewählt. Wenn auch vielfach befürchtet, so war die Wucht seiner handelspolitischen Eingriffe noch nicht im vollen Umfang abzusehen. Wir haben die Studie deshalb im April 2025 um eine Sonderbefragung ergänzt, in der es gezielt um die Auswirkungen der aktuellen US-Zollpolitik – und entsprechende Gegenmaßnahmen – geht. Sie rundet das Bild einer Studie ab, in deren Mittelpunkt die Vor-Ort-Analyse der Herausforderungen und strategischen Chancen unseres deutschen Mittelstands in seinem Heimatmarkt und Absatzmärkten steht. Und da macht die Studie durchaus Mut. Sie zeigt, dass viele Unternehmen im Bewusstsein und Vertrauen auf ihre Stärke den Blick nach vorn richten – als Macher im eigenen unternehmerischen Verantwortungsbereich.
Trotzdem noch einmal eine Nachfrage zu den weltwirtschaftlichen Turbulenzen: Welchen Einfluss haben aktuelle Krisen auf den Wirtschaftsstandort Deutschland?
Kotzbauer: Niemand kann sie ignorieren, schon gar nicht in einer so exportorientierten Volkswirtschaft wie Deutschland. Einige Branchen inklusive ihrer Zulieferer sind davon stark betroffen, und wir tun, was möglich ist, um hier beratend zu unterstützen. Aber in sehr vielen Fällen gibt es durchaus Möglichkeiten, die Auswirkungen externer Entwicklungen abzumildern. Erfreulicherweise hat der deutsche Mittelstand schon wichtige Vorarbeit geleistet.Viele Unternehmen stehen gut da und haben beispielsweise ihre Absatz- und Beschaffungsmärkte bereits diversifiziert. Das zahlt sich jetzt aus. Wichtig ist aber vor allem die Haltung des Mittelstands: Resignation gilt nicht und gibt es auch meist nicht! Ich habe höchste Achtung und Bewunderung, mit welcher Energie die Unternehmen an neuen Lösungen arbeiten.
Rücken- oder Gegenwind: Hilft der Wirtschaftsstandort Deutschland den Unternehmen dabei?
Kotzbauer: Das Gegenteil ist der Fall. Noch vor sechs Jahren, bei einer früheren Studie der Unternehmerperspektiven, bewerteten 65 Prozent der Befragten die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen in Deutschland als sehr gut oder gut. Bei unserer aktuellen Befragung waren es nur noch 10 Prozent. Es ist wirklich an der Zeit, was zu bewegen. Da müssen wir gemeinsam mit Wirtschaft, Banken und Politik dran arbeiten. Man sollte der neuen Koalition die Chance geben, nun zeitnah gegenzulenken.
Was vermissen die Unternehmen?
Kotzbauer: Die Unternehmen beklagen an erster Stelle nicht politisches Zaudern und Zögern, nicht Energiekosten oder den Fachkräftemangel. Das sind zwar alles ernst zu nehmende Herausforderungen, aber das mit Abstand größte Hindernis für mehr Wachstum ist eine überbordende Bürokratie. Abhilfe lässt sich hier nur gemeinsam von Wirtschaft und Politik schaffen. Deshalb bin ich auch sehr dankbar, dass der hessische Ministerpräsident Boris Rhein die Schirmherrschaft für die Studie übernommen hat.
Trotz alldem bleibt unser Mittelstand das Rückgrat der deutschen Wirtschaft. Was macht ihn so stark und widerstandsfähig auch gegen kontraproduktive Standortbedingungen?
Kotzbauer: Die Unternehmen warten nicht, bis ihnen bessere Zeiten wie auf dem Silbertablett präsentiert werden. Sondern sie setzen auf Eigenverantwortung und Eigeninitiative. Sie engagieren sich bei der Qualifikation ihrer Beschäftigten und bei den Prozessabläufen, setzen auf eine offene Unternehmenskultur, stellen finanzielle Ressourcen bereit, kooperieren mit Wissenschaft und Forschung, bauen internationale Partnerschaften auf und arbeitet eng mit Start-ups zusammen.
Hinzu kommen die besonderen Stärken des deutschen Mittelstands wie hohe Identifikation mit dem Unternehmen, technologische Exzellenz der vielen Hidden Champions, Leistungswille und Stolz auf das Erreichte. Diese selbstbewusste Haltung, das klare Bekenntnis zur Eigenverantwortung, der Fokus auf den unternehmerischen Erfolg und die sich ergebenden Zukunftsperspektiven machen den Mittelstand so stark und widerstandsfähig.
Gibt es auch Schwachstellen in den Unternehmen, die Ihnen Sorgen machen?
Kotzbauer: Grundsätzlich sind unsere Unternehmen in Sachen Innovationsmanagement und Technologie gut aufgestellt. Bedenken macht mir allerdings die Einstellung zur künstlichen Intelligenz, kurz KI. In der Studie bezeichneten 41 Prozent aller Befragten KI als Treiber für ihr Wirtschaftswachstum – eigentlich ein akzeptabler Wert. Doch er wird ganz überwiegend von den größeren Unternehmen getragen, die sich prozentual fast doppelt so häufig zur KI bekennen wie kleinere Unternehmen. Dort steht KI bei rund der Hälfte überhaupt nicht auf der Agenda, weder jetzt noch in absehbarer Zukunft. Das kann Geschäftsmodelle gefährden.
Was erwarten Firmenkunden in der aktuellen Situation genau von ihrer Mittelstandsbank – und wie können Sie unterstützen?
Kotzbauer: In der Studie haben die Unternehmen ihre Erwartungen an unsere konkreten Leistungen und Services aufgelistet und priorisiert. Hier sind wir gut aufgestellt und können liefern: von der am häufigsten genannten „Beratung zu Fördermitteln“ über „Individuelle Finanzierungsangebote“ bis zur „Vernetzung mit Experten" und unserem breiten Fachwissen in der branchenspezifischen Beratung.
Wir sehen, die Erwartungen unserer Kunden gehen oft weit über das klassische Bankgeschäft hinaus. Typische Beispiele sind die grüne Transformation und insbesondere Cybersecurity: Auf die Frage, in welchen Bereichen in Zukunft vermehrt investiert wird, nannten mit 65 Prozent die mit Abstand meisten Unternehmen die Cybersicherheit. Hier haben wir das Informations- und Serviceangebot u.a. mit einer Online-Event-Reihe weiter ausgebaut.
Schließlich gibt es noch einen übergeordneten Punkt, der für 83 Prozent der Befragten sehr wichtig oder eher wichtig ist: Die Hausbank des deutschen Mittelstands sollte ihren Sitz in Deutschland haben. Das ist das klare Ergebnis unserer Studie und bestätigt unsere Erfahrungen, dass Firmenkunden sich z.B. die Kreditentscheidung im Inland wünschen. Kundenzentriertheit bleibt die Basis unseres Handelns: passgenaue und effiziente Lösungen, die an den individuellen Anforderungen und Zielen unserer Kunden ausgerichtet sind. Wir haben eine große Nähe zu unseren Kunden, klare Strukturen und nachvollziehbare Entscheidungswege. Deswegen sind wir die Bank für den deutschen Mittelstand.