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Fokusrohstoff CO2, EU-Emissionshandel: Nach einer Sommerflaute wieder mehr Preisauftrieb
Die Preise im EU-Emissionshandel haben in diesem Jahr ihr Eigenleben. Weder ließen sie sich während der Schwächephase der Energiepreise in den ersten fünf Monaten nach unten ziehen, noch profitierten sie von den starken Preisausschlägen im Zuge des eskalierenden Nahost-Konflikts.
Maßgeblich für die relative Stärke in den ersten Monaten des Jahres war die ungewöhnlich emissionsintensive Stromerzeugung in der EU. Die fossilen Energieträger kamen in den ersten vier Monaten des Jahres deutlich stärker zum Einsatz als im Vorjahr, weil die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien enttäuschte. Die Folge war zunächst ein hoher Bedarf an Emissionsrechten.
Im Mai drehten sich die Tendenzen aber: Erneuerbare Energien legten stark zu und stemmten wieder einen Anteil von fast 54 Prozent an der öffentlichen Netto-Stromerzeugung. Fossile Brennstoffe fielen hingegen um mehr als 25 Prozent unter den Vorjahreswert. Dieser Trend dürfte sich im Sommer fortsetzen, da vor allem die Solarenergie immer weiter ausgebaut wird. Laut Daten des ISE-Fraunhofer-Instituts betrug der Netto-Zubau 2024 in der EU knapp 40 Gigawatt (GW). Er war damit zwar nicht mehr so hoch wie im Jahr zuvor (+43 GW), aber weiterhin deutlich höher als in den Jahren davor.
Auch der Bedarf an Emissionsrechten in den erfassten Industriesektoren war bislang begrenzt. Im ersten Quartal lag lediglich die Aluminiumproduktion über dem Vorjahresniveau. Die Vorzeichen für die weitere Entwicklung sind gemischt: Einerseits haben sich die Stimmungsindikatoren in den letzten Monaten leicht aufgehellt. Hier spielt die Lockerung der Geldpolitik eine wichtige Rolle. Andererseits bleibt die Zollpolitik der US-Regierung ein Risikofaktor für die im EU-ETS erfassten Metallsektoren: Die USA sind schließlich der zweitgrößte Exportmarkt für EU-Stahl. Hinzu kommt, dass die Konkurrenz durch Anbieter auf dem heimischen Markt sowie auf Drittmärkten aufgrund umgeleiteter Handelsströme größer werden könnte. Letzteres gilt insbesondere für die Aluminiumindustrie.
Einer momentan eher gedämpften Nachfrage nach Emissionsrechten steht ein reichliches Angebot gegenüber. Zwar müssen ab September wieder mehr Emissionsrechte in die Marktstabilitätsreserve überführt werden. Aber nach Schätzungen von BloombergNEF (BNEF) werden in diesem Jahr sogar mehr zusätzliche Emissionsrechte versteigert als im Vorjahr, um so zusätzliche Finanzmittel zu generieren. Erst ab 2026 dürfte das Angebot deutlich schrumpfen.
Alles in allem droht unseres Erachtens deshalb eine Sommerflaute am Markt, zumal die jüngsten Vorschläge der EU-Kommission zum Klimaziel 2040 zeigen, dass der politische Rückenwind in der Klimapolitik eher schwächer geworden ist. Die in der Vergangenheit recht wankelmütigen Investoren, die in jüngster Zeit die Preise eher unterstützt haben, könnten sich auch vor diesem Hintergrund wieder zurückziehen.
Trotzdem halten wir mittel- bis langfristig höhere Preise für wahrscheinlich. Zum einen wird das derzeit zusätzliche Angebot an Emissionsrechten mittelfristig am Markt fehlen – und das in einer Zeit, in der die Obergrenze aufgrund des höheren linearen Reduktionsfaktors ohnehin schneller fällt. Zum anderen wird ab 2026 die freie Zuteilung in den Industriesektoren im Zuge der Einführung des Grenzausgleichsmechanismus (CBAM) nach und nach abgebaut. Neben diesen bereits bekannten Entwicklungen könnte auch die im nächsten Jahr anstehende Reform der Marktstabilitätsreserve den Preisen weiteren Auftrieb geben, beispielsweise durch eine Absenkung der Schwellenwerte. Für Zuversicht sorgt zudem die Aussicht, dass die EU und Großbritannien an einem Verbund ihrer Emissionshandelssysteme arbeiten wollen. Ein größerer Verbund stärkt das Vertrauen. Zudem sind die britischen Ziele ambitioniert, leicht zu verwirklichende Erfolge bei der Emissionsminderung wurden durch den Ausstieg aus der Kohle bereits erzielt.
Wir halten an unserer Prognose fest und erwarten, dass die Preise im EU-Emissionshandel bis zum Herbst bei etwa 70 Euro je Tonne CO2 liegen werden, bevor sie bis Ende 2026 auf 85 Euro steigen.
Quelle: Commerzbank Research 09.07.2025
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